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Donnerstagabend in Forst. Um die dreihundert Menschen folgen einer Einladung der AfD-Bundestagsfraktion und nutzen die Möglichkeit, dem AfD-Bundestagsabgeordneten Steffen Kotré Fragen zu stellen.
Der spricht zur deutschen Außenpolitik, Nord Stream 2 oder über Handynutzung im Plenarsaal des Bundestags. Kotré beklagt auch, dass das Attribut “rechts” gleichgesetzt werde mit “rechtsextremistisch”, was “die ganz normale Position ‘rechts zu sein’ in Misskredit” bringe.
Dass Kotré selbst ein Problem damit haben könnte, zwischen rechts und rechtsextremistisch klar zu trennen, legen nun Bilder nahe, die dem ARD-Politikmagazin Kontraste und rbb24 Brandenburg aktuell vorliegen.
Darauf zu sehen: Steffen Kotré, der am 14. Februar 2009 auf dem sogenannten Trauermarsch in Dresden mitläuft – einem der bis dahin größten Neonazi-Aufmärsche Europas. Anlass zu dieser alljährlichen Demonstration war der Jahrestag der Bombardierung Dresdens 1945. Angemeldet hatte ihn die rechtsextreme “Junge Landsmannschaft Ostdeutschland”. Die JLO steht auf der Unvereinbarkeitsliste der AfD.
Dem rbb bestätigt Kotré seine Teilnahme und schreibt: “Ich habe mir vor Ort ein Bild gemacht.” Die Sichtung verschiedener Aufnahmen legt nahe, dass er sich ein gründliches Bild von der Veranstaltung verschafft haben muss.
Im Demonstrationszug unter bis zu 6.500 Teilnehmern lief Kotré im vorderen Teil mit. Sein Block befindet sich zwischen einer Gruppe der JLO, die Flaggen mit dem Grundriss Großdeutschlands hielten, und einer Formation mit schwarzen Fahnen, auf denen die Namen der ehemaligen Reichsgaue zu lesen waren. Das Videomaterial zeigt außerdem, dass er bereits zu Demonstrationsbeginn am Dresdner Hauptbahnhof mitlief.
Hier hatte kurz zuvor der damalige stellvertretende NPD-Bundesvorsitzende Holger Apfel in einer Rede von einem “Dogma der jüdischen Opferzahlen” gesprochen und davon, dass die Opferzahlen der Bombardierung Dresdens manipuliert seien.
Apfels NPD-Fraktion hatte wenige Jahre zuvor einen Eklat ausgelöst, als ein NPD-Abgeordneter im sächsischen Landtag vom Bomben-Holocaust sprach und damit die Bombardierung Dresdens mit der Ermordung von bis zu sechs Millionen europäischen Juden gleichsetzte.
Bei der AfD-Veranstaltung am Donnerstagabend in Forst kommt Kotré auf Dresden zu sprechen. An anderer Stelle ist auch von einer “Verantwortung” vor der Geschichte die Rede. Vom rbb darauf angesprochen, wie er diese Verantwortung mit seiner Teilnahme an dem Neonazi-Aufmarsch zusammenbringt, entgegnet er, dass das sehr gut zusammenpasse. “Wir kranken ein bisschen daran, dass die deutschen Opfer vergessen [werden]”, so Kotré.
Tatsächlich gab es um die Zahl der Opfer eine jahrzehntelange Debatte. Noch von der Nazipropaganda zu Kriegsende befeuert, kursierte eine Zahl von 200.000 Menschen, die bei dem Angriff der Alliierten umgekommen seien. Literarische Dramatisierungen, aber auch der bekannte Holocaustleugner David Irving hielten den “Mythos Dresden” mit hunderttausenden Toten lange aufrecht. Im Laufe der Jahre wurden die Opferzahlen immer wieder politisch instrumentalisiert – der rechtsextreme Trauermarsch in Dresden gilt seit Jahren als wichtiges rechtsextremes Vernetzungstreffen.
Im Streit um die Dresdner Opferzahlen wurde 2004 schließlich eine unabhängige Historikerkommission einberufen: Durch die Untersuchung von Dokumenten, Zeitzeugenberichten und archäologische Befunden wurde die Opferzahl der Bombardierung von 1945 von dieser Kommission auf höchstens 25.000 beziffert [dresden.de]. Im Gespräch mit dem rbb bezweifelt Kotré jedoch diese Zahl, die heute als gesichert gilt und hält sie für “unglaubwürdig”.
Für Steffen Kotré ist es nicht das erste Mal, dass eine Nähe zum Rechtsextremismus öffentlich wird. Das Nachrichtenportal “T-Online.de” berichtete, dass Kotré 2004 als Unterzeichner einer Solidaritätsbekundung für den Holocaust-Leugner Horst Mahler in Erscheinung getreten sei.
Nach Kontraste-Informationen erschien 2004 außerdem auf einer Website der JLO der Leserbrief eines Steffen Kotré: Darin beklagt dieser in einem Gedicht das vermeintliche Unrecht, das dem deutschen Volk mit dem Verlust der früheren Ostgebiete entstanden sei. Darauf vom rbb angesprochen, bestätigt Kotré, dass er eine lyrische Ader habe. Und auch, dass er sich mit Geschichte auseinandergesetzt habe.
Am Donnerstag dazu befragt, wie er heute seine Teilnahme an der Demonstration in Dresden bewertet oder ob er noch einmal zu einer solchen Demonstration gehen würde, antwortete Kotré nicht.