• tryptaminev 🇵🇸 🇺🇦 🇪🇺@feddit.de
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    5 months ago

    Ich habe in einem Interview einen sehr schönen Gedanken gehört.

    Die britische Elite behauptet Kultur, weil sie in einer bestimmte Sprache spricht, und bestimmte Verhaltensweisen an den Tag legt. Diese sind aber keinesfall intellektueller oder kultivierter, es ist einfach der Maßstab, den eine herrschende Klasse setzen kann, um vom Fehlen der eigenen Kultur abzulenken.

    Wenn man Poschardt liest, kann man genau das beobachten.

    Damit gab es keinen Rückzugsraum des bürgerlichen Individuums mehr, der geschützt war vor einer Ideologisierung jedweder Alltagslogik. Die Identitätspolitik problematisierte, zunächst mit einem feministischen, dann mit einem postfeministisch-queeren Aktivismus, alle hergebrachten Logiken des Zusammenlebens.

    Soso, es ist also ein feministischer Angriff auf den Schutz der “Alltagslogik” vor Ideologisierung. Das diese Alltags"logik" darin besteht, dass Frauen unabhängig ihrer Fähigkeiten und Ausbildung zurückstecken sollen, um den Haushalt zu schmeißen, sich von ihren Ehemännern vergewaltigen lassen sollen, und ihr Widerstand gegen diese Unterdrückung als Hysterie abgetan wird, ja das ist hergebrachte Logik. Die muss man verteidigen. Sie ist ja quasi gottgegeben. Wäre ja absurd, wenn man das in Frage stellt.

    Der Sieg der Linken in nahezu allen Belangen der Metapolitik und die kulturelle Hegemonie insbesondere in all den Bereichen vergesellschafteter Alltagsrealität haben zu einer in Teilen grundlegenden Pathologisierung klassischer Rollenmodelle zuerst der Frauen, dann der Männer geführt. Wo? Natürlich nur im freien Westen. In der nichtwestlichen Welt dagegen führte dies zu Stabilisierung reaktionärer patriarchischer Gesellschaften wie im Iran oder in Russland.

    Jaja, den Widerspruch dass dieses Rollenbild im Westen gut, im Iran oder Russland aber böse ist, muss man natürlich genausowenig auflösen, wie die absurde Täter-Opfer-Umkehr, die hier der Emanzipation die Schuld für Unterdrückung in die Schuhe schieben will. Da kommt dann gleich der nächste Abschnitt:

    Die Identitätspolitik ist sehr geschickt mit einem Marsch durch die Institutionen angetreten, dessen Konsequenzen Anfang Januar 2024 in einer bemerkenswerten Studie dokumentiert sind, die zeigt, wie groß der ideologische Graben zwischen jungen Frauen und Männern geworden ist. Am schlimmsten in Südkorea, kaum weniger dramatisch in den USA, Großbritannien und Deutschland. Die Männer werden im klassischen Sinne konservativer, die Frauen woker.

    Das ist natürlich dramatisch, und natürlich die Schuld der “Identitätspolitik”. Es kann natürlich kein Ausdruck davon sein, dass Frauen inzwischen selbstbewusst ihre Meinungen vertreten und es wäre ja noch verrückter, wenn fragile Männer wie Poschardt deswegen reaktionärer werden, weil sie ihre Privilegien nicht aufgeben wollen. Das Poschardt zwei Absätze vorher Trump gefeiert hat, weil dieser refoermerische Ansätze nach Adorno verfolgt hätte, ist dabei natürlich egal. Das Frauen nichts mit einem Präsidenten anfangen können, der zu Vergewaltigungen an ihnen aufruft, hat bei Poschardt wohl nicht zwischen wilde Adorno und Marx-Zitate gepasst.

    Poschardt ist ein kulturloser Mensch, der Intellektuellen-Bullshit-Bingo-Texte schreibt, um diese Leere zu überdecken.